„Zu früh, ja?“, vergewisserte sich Reif mit einer ungewöhnlich hohen Tonlage, was dazu führte, dass ihre sonst so rauchige und kratzende Stimme einem Geräusch ähnelte, als würde man mit flacher Hand und Kraftaufwand über eine Glasscheibe reiben. Zwar klangen die beiden Dinge nicht einmal ansatzweise ähnlich, doch sorgte es genauso für ein widerliches Gefühl samt Gänsehaut, wie es Mortis in dem Moment erfahren durfte. Mit einem ehrlich angewiderten Laut zog sich sein Leib etwas zusammen, ehe er mit sehr schiefem Blick zu ihr rüber sah. „Ja. Eindeutig zu früh.“, blaffte er gereizt zu ihr rüber. Seine Aufmerksamkeit rutschte zum Todespirscher, der mit einem sehr plötzlichen Spurt Richtung Norden sehr viel Distanz aufräumte, bevor Mortis dann doch wieder zum Hang hoch sah, als dieser unter lautem Bersten brach und das gesamte, gesammelte Wasser über dem Hang auf zu ihnen herunter stürzte. „Wenn wir das überleben..“, begann er, doch wurde der Rest unter den tosenden Wasserströmen begraben. Die rauen Massen spülten all die Anwesenden weg, die nicht schnell genug draußen waren. So auch Reif und Mortis. Er konnte ihr Gesicht kurz sehen, als sie mit einer Nebenströmung an ihm vorbei gerissen worden ist, während ihm selbst sämtliche Luft aus den Lungenflügeln gestoßen wurde aufgrund des enormen Druckes. Er wusste schon gar nicht mehr, wo oben und unten war, während alle Umgebungsgeräusche durch dauerhaftes Rauschen übertönt wurden. So auch das eigene, verzweifelte Schlagen mit den Händen im Wasser herum, auf der Suche nach etwas greifbarem in der Nähe, auf dass man sich daran festhalten könnte. Er wurde tiefer runter gezogen, schlug erst mit dem Hinterkopf an einem Felsen auf, was seine Gedanken noch mehr verwischte. Der dumpfe, metallene Widerhall war derartig laut, dass er sich fühlte, als säße er soeben in einer Turmglocke, auf welche man mit wachsender Begeisterung eindrosch. In diesem Moment war er jedoch sehr dankbar über den Helm, ohne welchem er mit großer Sicherheit ein ordentliches Loch in den Schädel hätte geschlagen bekommen. Die innere Freude verflog binnen weniger Augenblicke. Durch einen unteren Strom wurde er herumgerissen, dann mit dem Magen voran auf einen spitzen Felsen gerammt. Schmerzhaft verzog er das Gesicht, während er trotz des übermäßigen Wasserschwalls die aufsteigende Galle nicht nur schmecken, sondern auch riechen konnte. Die darauffolgende Übelkeit war derartig niederschlagend, dass er es für einen Sekundenbruchteil sogar in Erwägung zog die Vorteile eines untoten Daseins noch einmal zu überdenken. Aber auch das wurde wie so einige Soldaten einfach weggeschwemmt, als ein neues Hochgefühl entstand, als er nach oben gespült wurde und er seine Lungen mit Sauerstoff füllen konnte. Sein Blick zuckte zu einem gestürztem Baum einige Meter neben ihm, an welchem er drohte vorbei zu treiben. Wieder wurde er von einem Sog nach unten gerissen, wand sich dabei wider der Strömung und entriss sich ihrem fesselnden Griff. Seine Finger packten harten Untergrund.
Mit einem erlöstem, tiefen Atemzug packte er den Ast des Baumes verbissen und krampfhaft, nur um zu realisieren, dass die eigenen Bewegungen behindernd träge geworden sind. Der benötigte Kraftaufwand, um auf den liegenden Baum zu kommen, hatte so einiges abverlangt. Die ohnehin schwere Platte, dann auch noch das Eigengewicht vermengt mit der Tatsache, dass man willkürlich herumgezogen und -gewirbelt wurde, in einer nochmals sehr trägen und vor allem kalten Masse. Er blinzelte sich mehrmals Wasser aus den Augen, schnaubte Selbiges aus, nur um weiteres Nass mit dumpfen Husten aus seinem Rachen und oberen Lungenflügeln zu befördern. „Oh Güte.“, keuchte er dumpf, nur um die Brauen stark herunter zu ziehen, als der Baumstamm unter ihm sich sehr langsam auf die Seite drehte. „Bitte nein.“ Er kletterte dagegen, darauf bedacht, nicht plötzlich unter der Holzwalze zu landen. Ein dicker Ast kam ihm entgegen, dem er einfach nur auswich, da er schon ahnte, dass es an der waghalsigen Kletterpartie scheitern würde, konnte er sich es nicht einmal vorstellen, das schaffen zu können. Dann wurde es kurz um ihn herum dunkel. Es war jedoch keine Wolke, die den Mond verdeckte, sondern tatsächlich eine Bewegung, die den Schatten warf. Mehrere Momente hockte er über dem Baumstamm und malte sich aus, was das hätte sein können, ehe er von einem tiefen Grollen aus den Gedanken gerissen wurden. Kurz konnte er noch über die Schulter sehen und beobachten, wie der Ettin mit seiner Keule zuschlug, ehe die Baumstämme aufeinander krachten und Mortis in luftige Höhen katapultiert wurde. Ein gebrülltes „SCHEIßVIEH!“ bezeugte für nachtblinde Umstehende die Flugbahn, ehe er unter tosenden Geräuschen in den nächsten Wasserströmungen landete. Dieses Mal ging es um einiges schneller. Jedoch nicht die eigene Befreiungsaktion sondern die Rutschpartie im kalten Nass, das sich nicht sammelte, wie zuvor, sondern in eine weitere Kluft abfloss. Wieder näherte er sich einem Baumstamm, der nun auf seiner linken Seite lag. Ein beherzter Griff zu seinem Schwertgriff und mitten in die Leere und somit noch mehr Wasser. Die Klinge war weg. Eine ausdruckslose Mimik legte sich wie eine Maske auf sein Gesicht, während er ihm diverse Flüche durch den Kopf schossen, bevor er mitsamt vielerlei Liter Wasser über die Kante geriet, jedoch nicht, ohne vorher noch mit der Front gegen einen weiteren Felsen zu schlagen. Benommen kam er somit an die kalte, frische Luft, stürzte allerdings nicht wie erwartet in die Tiefe. Er hing eher. Mit einem benebelten Blinzeln sah er erst runter, dann langsam nach oben, das linke Auge dabei zusammen kneifend. Sein linker Arm war stark nach oben gestreckt, während ihm etwas entgegen funkelte. Es war ein Dolch, der in seinem Unterarm steckte, der am Griff wiederum mit einem Seil verbunden war. „Ich hab was am Haken!“, brüllte Düsternebels Stimme, woraufhin nicht nur die Todespirscher und Soldaten lachten, sondern sich auch Mortis sich das sehr breite Grinsen nicht verkneifen konnte, während ihm das eigene, warme Blut durch die Helmöffnung ins Gesicht tropfte. „Dann hol ein paar Leute mehr, Düsternebel, das schaffst du nicht alleine.“, rief er lachend nach oben, während er schon hochgezogen wurde.
„Wie geht es dem Arm?“ „Er ist noch da. Jedoch ist er mir gerade sehr egal. Habt Dank, Düsternebel. Das wäre fast schief gegangen.“ Die Todespirscher und Soldaten beobachteten mit geringem Interesse das Abfließen des Wassers, dafür jedoch umso aufmerksamer. Immer wieder, wenn ein Worgen auch nur zu erahnen war, flog schon ein Pfeil, oder ein Bolzen rein, während man den Verlassenen Seile zuwarf. Mortis zog den Helm ab, rieb sich kurz über das entblößte Gesicht, brüchig hustend. „Ich werde meine restliche, lebende Zeit nicht mehr auch nur daran denken zu baden.“, murrte er, woraufhin Düsternebel breit grinste. „Ich will gar nicht wissen, wie ich rieche.“ Mortis warf ihm einen sehr undefinierbaren Blick zu, musterte ihn stattdessen dann allerdings kurz. Der Todespirscher stand dort in seiner dunklen, teilweise verstärkten Lederkluft, die ebenso komplett durchnässt war, wie auch die restlichen Streitkräfte. Er stand sehr bequem auf dem rechten Bein, den Daumen der linken Hand im Gürtel eingeharkt, während die Hälfte seiner Dolche an der Rüstung fehlten. Es waren dadurch zwar noch immer über zehn, aber es waren nicht mehr alle. Der Blick schwiff danach über die Brust des Verlassenen, in welcher noch immer Löcher klafften. „Ach. Ihr wurdet noch zwei Mal getroffen.“ „Eh.. Nein, das wäre schön. Ich wurde von den drei Bolzen getroffen, dann von einem Schwert und bin schließlich auf einen spitzen Aststumpf gefallen.“ Mehrere Momente sahen sie sich einfach nur schweigend entgegen, bevor Mortis leicht nickte. „Hm.“ „Ihr behaltet das mit dem Ast für Euch und ich erwähne die Geschichte mit Rastall's Bolzen nicht.. Einverstanden?“ „Abgemacht.“ Sie nickten sich zu, während sich Mortis wieder den Helm aufsetzte und zurück in den sich nun klärenden Bereich sah. Letzte Liter Wasser flossen über den Rand, bevor man eine große, ebene Fläche vor sich hatte. Der Boden war nun komplett schlammig, die meisten Bäume tatsächlich einfach weggespült. Was sich nicht verändert hat, war der Ettin. Er war noch immer da, dafür hatte er nun eine sehr schlechte Laune. Tief brüllend und grollend stampfte das Ungetüm durch den Sumpf aus angeschwemmtem Morast. „Verdammt, der hat ja auch überlebt..“, erklang es kratzig hinter ihnen. Düsternebel und Mortis drehten sich um, sahen Reif entgegen, die sich die durchnässten Haare nach hinten striff, nur um das dunkle Tuch wieder über das rechte Auge und die Hälfte ihres Kopfes zu binden. „Ja. Und Ihr auch.“, murrte Mortis, der sich mit einer instinktiven Bewegung zurück lehnte, um einer Ohrfeige auszuweichen, die dafür Düsternebel erreichte. Dieser blinzelte verwirrt, griff sich an die Wange, nur um argwöhnisch zwischen ihnen her zu sehen. „Ihr habt Euch beide gegen mich verschworen!“ Reif zuckte mit der linken Braue herum, ging dann auf Düsternebel zu, der dezent um Mortis herum ging, um der vermeintlichen Annäherung zu entgehen. Mortis seufzte leise, sah Reif dann entgegen. „Wisst Ihr, wie es um die Worgen steht.“ „Nun.. Sie werden gleich angreifen und haben nun einen Vorteil auf dem Feld.“, erwiderte sie und nickte an ihm vorbei, woraufhin er sich umdrehte. Tatsächlich übersprangen die Worgen, nun um einiges leichter gerüstet, die größten Distanzen einfach, selbst nun auf allen Vieren unterwegs, was dafür sorgte, dass sie nicht im Morast versanken. Erst waren es zehn, dann zwanzig, dann dreißig Stück, die unter den umgekippten Bäumen hervor kamen, die sie bis zum Moment des Angriffs als Sichtschutz missbrauchten. Und es wurden immer mehr. „Werden das nicht weniger.“, keifte Mortis, verengte die Augen dann jedoch stark, als er Rastall erspähte, der mit zwei weiteren Hauptmännern über das Feld rannte. Reif erhob das Wort, selbst das Geschehen beobachtend. „Das ist der Rest, Hochexekutor, und ich würde vorschlagen, dass auch wir alles nochmal probieren, was wir können.. Denn, mit Verlaub.“ Sie deutete blind mit dem Daumen den Hang hoch, dessen Spitze noch immer stand. „Die Falle hat nicht funktioniert.“ „Natürlich nicht.“, murrte Mortis und nahm dankend nickend von einem Soldaten seine Klinge entgegen, die er verloren hatte. Dann sah er zu Reif zurück, die sich ihm zuwand und ihm auffordernd entgegen sah. „Und weshalb nicht?“